Fraktionserklärung 23.10.2023: Wohnraumversorgung von geflüchteten Menschen, Anmietung Telekom-Areal

Veröffentlicht am 31.10.2023 in Aktuelles

Unser Ortsvereinsvorsitzender und Gemeinderat Matthias Eckmann hat in der Gemeinderatssitzung vom 23.10.23 folgende Fraktionserklärung abgegeben. Das Thema des Tagesordnungspunktes war die Unterbringung von Geflüchteten auf dem Telekom-Areal in der Müllerstraße.

[Es gilt das gesprochene Wort]

Sehr geehrter Herr Brand,

sehr geehrte Herren, Bürgermeister Müller und Stauber,

sehr geehrter Herr Hain, an dieser Stelle ein herzliches Willkommen in Friedrichshafen im Namen meiner Fraktion,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine Damen und Herren,

eine Vorbemerkung: nicht getauft, ohne Konfession à aber was heißt für mich christlich?

Was ist daher nicht christlich für mich?

lassen Sie mich diese Fraktionserklärung etwas anders als üblich, mit einigen Zitaten vom Freitag, dem 13. Oktober, beginnen.

Ich zitiere aus dem Gedächtnis und aus öffentlichen Unterlagen:

„Ihr seid die Verwalter des Unrechts“

„Da kommen kriminelle alleistehende Männer“

„Können die Kinder und vor allem die kleinen Mädchen noch sicher auf den Spielplatz?“

„Das ist unser Steuergeld“

„Den Zaun ums Gelände am besten mit Starkstrom“

„Wie, eine hauswirtschaftliche Kraft?“ Können die nicht selber putzen?“

„Grenzen schützen - Menschen abweisen“

Ich frage mich: Ist das der Umgangston, den wir während der von der Stadt organisierten Information-Veranstaltung zur geplanten Unterbringung von 40/42 Geflüchteten in der Müllerstraße, mittlerweile miteinander pflegen?

Ich frage mich: Ist es legitim alle Menschen die vor Krieg, Gewalt und Terror fliehen unter Generalverdacht zu stellen? Müssten wir „Die Schuldigen“ nicht an anderer Stelle suchen, etwa bei Kriegsverbrechern, Warlords und Putin?

Ich frage mich: Was würden wir in der Situation als Geflüchtete tun? Würden ich das Mittelmeer überqueren? In welches Land würde ich reisen? Würde ich gerne dort leben wollen? Wie möchte ich aufgenommen oder begrüßt werden? Und an welchem Punkt wäre ich wohl bereit mich in die Gesellschaft einzubringen?

Stellen wir uns dafür doch einmal folgendes vor; und ich lade Sie alle ein mich auf dieser Reise zu begleiten.

Stellen wir uns vor, wir werden als Ahmed in einem kleinen Dorf in Syrien geboren. Die Kindheit ist zunächst friedlich und sorglos. Doch als der Krieg ausbricht, änderte sich alles.

Der Krieg zwingt die Familie, das Zuhause zu verlassen, um dem ständigen Bombardement und den gewalttätigen Auseinandersetzungen zu entkommen. Der Weg ist geprägt von Angst, Hunger und Trauer.

Unsere Reise führte uns durch gefährliche Gebiete, in denen bewaffnete Gruppen herrschten und Gewalt an der Tagesordnung war. Wir wurden mehrmals bedroht und beraubt, und ich musste mitansehen, wie unschuldige Menschen ums Leben kamen. Die Flucht über das Mittelmeer war für uns eine der gefährlichsten Etappen. In einem überfüllten, maroden Boot wagten wir uns in unbekannte Gewässer.

Nach vielen qualvollen Stunden erreichten wir endlich europäischen Boden. Aber das war erst der Anfang der Herausforderungen, denn wir wurden in einem überfüllten Flüchtlingslager untergebracht und mussten uns mit unzureichender Versorgung, mangelhafter medizinischer Betreuung und psychischem Stress auseinandersetzen.

Schließlich gelangen wir nach Deutschland.

Meine Familie und ich stellten Asylanträge und versuchten, die Sprache und Kultur des Gastlandes zu erlernen. Sprachkurse sind aber limitiert, Deutsch ist eine schwere Sprache und alle in der Aufnahmestelle sprechen andere Sprachen, teilweise sprechen wir mit anderen Menschen aus Syrien, der Einfachheit halber, auf Syrisch – nicht auf Deutsch.

Der bürokratische Prozess zog sich quälend lange hin, gerne hätten wir bereits gearbeitet, doch das war nicht möglich. Währenddessen versuchte ich, eine neue Identität aufzubauen und mich in dieser fremden Umgebung zurechtzufinden.

Schließlich erhielten wir die erlösende Nachricht, dass unser Asylantrag genehmigt wurde. Doch das bedeutete nicht das Ende unserer Schwierigkeiten.

Wir werden nach Friedrichshafen in die Müllerstraße geschickt. Die Integration dort ist herausfordernd, Arbeitsmöglichkeiten sind begrenzt, und Vorurteile gegenüber Geflüchteten sind verbreitet.

Dennoch gab ich nicht auf. Ich nahm jeden Job an, den ich finden konnte, um meine Familie zu unterstützen und meine Träume zu verwirklichen. Ich besuchte eine Abendschule, um meine Bildung fortzusetzen. Es war nicht einfach, aber ich wollte meine Chance nutzen und den Beitrag leisten, den ich diesem Land schulde, das uns Zuflucht gewährt hatte.

Heute, nach vielen Jahren, habe ich meine Ausbildung abgeschlossen und arbeite als Ingenieur. Ich habe neue Freunde gefunden und unterstütze andere Geflüchtete auf ihrem Weg zur Integration.

Dies ist eine Geschichte von Millionen Geschichten, die von Geflüchteten auf der ganzen Welt erzählt werden. Sie sind Geschichten von Mut, Überlebenswillen und dem Verlangen nach Freiheit und Frieden. Und sie sind Erinnerungen daran, dass wir als Menschheit gemeinsam daran arbeiten müssen, eine Welt zu schaffen, in der niemand mehr fliehen muss.

Was bleibt mir also noch zu sagen?

Ich bin der Stadt dankbar, dass sie eine Infoveranstaltung organisiert hat und sich um einen Austausch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern bemüht hat. Ja, hierbei ist nicht alles perfekt gelaufen, das lag teils an der Technik, teils an den vielen Informationen, die zu einem derartigen Vorhaben gehören, teils an den aufgebrachten Gästen. Die Stadtverwaltung hat aber bereits erkannt, welche Schwierigkeiten vorlagen und zugesagt, diese bei künftigen Veranstaltungen entsprechend anzupassen.

Alle gestellten Fragen wurden ausführlich schriftlich beantwortet und sind nachzulesen. Eine Beispielfrage möchte ich vorlesen:

„40 Personen? Sind das Familien oder alleinstehende Männer?“

Antwort:

„Gesichert lässt sich dies zum aktuellen Zeitpunkt nicht beantworten. [etwas später]. Überschlägig und prognostisch kann jedoch folgende Einschätzung erfolgen: 22,4% allein reisende Männer, 71,2% Frauen, 6,4% allein reisende Frauen.“

à es kommen also nicht nur alleinstehende Männer

Brauchen wir in Friedrichshafen mehr Wohnraum? Ja, auf jeden Fall. Wir unterstützen alle Bestrebungen der Stadt, der Städtischen Wohnbaugesellschaft und vieler weiterer Wohnungsbauer, zügig mehr und bezahlbaren Wohnraum zu erstellen. Dafür setzen wir uns auch über die Stadtgrenzen hinaus ein.

Keinesfalls sollten wir die Wohnungsknappheit aber auf die Geflüchteten schieben. Das Problem herrschte bereits zuvor und es ging uns auch nicht wirklich besser, bevor die Zahlen angestiegen sind.

Was uns darum auch nicht hilft, sind Wohnungsangebote für Geflüchtet, bei denen ein horrende Miete aufgerufen wird. Unser Stadtdiakon, Herr Rebmann, ist hier dankenswerterweise bereits tätig geworden.

Was uns helfen würde, ist die private und faire Vermietung von Unterkünften für Geflüchtete. Hier unterstützt die Stadt sogar aktiv und uns allen sollte klar sein, dass eine noch dezentralere Unterbringung von einzelnen Personen die Integration deutlich verbessert.

Klar ist: Wer gegen Regeln verstößt, der muss mit Konsequenzen rechnen. Dies gilt egal, ob ich schon immer in Deutschland lebe, oder erst seit ein paar Wochen oder Monaten.

Was die Müllerstraße betrifft, so bleibt abschließend festzuhalten: Ja, auch wir hätten uns gewünscht, dass wir keine größere Unterkunft brauchen. Wir sollten diese Aufgabe aber als gemeinschaftliches Projekt verstehen. Hier kommen nicht „DIE Geflüchteten“ zu uns. Das sind Menschen, Menschen wie du und ich. Menschen, die in vielen Fällen, vor Krieg, Gewalt und Terror fliehen. Ihnen und uns wird es besser gehen, wenn wir sie mit offenen, statt verschränkten Armen empfangen. Wenn wir auf sie zugehen, statt sie unter Generalverdacht zu stellen. Was wir für eine gelingende Integration brauchen, sind die Menschen vor Ort.

Liebe Anwohnerinnen und Anwohner: Bitte helfen auch Sie mit.

Ich für meinen Teil habe während meiner Schulzeit, 2016/17, regelmäßig mit Geflüchteten aus unterschiedlichsten Ländern in einer VABO-Klasse zutun gehabt. Während der Hausaufgabenbetreuung und dem Deutsch-Lernen hatten wir viel Spaß, haben voneinander gelernt und viele dieser Geflüchteten sind heute ein unauffälliger Teil unserer Stadtgesellschaft. Ob bei ZF, als Frisörin/Frisör, Reinigungskraft, in der Stadtverwaltung und überall sonst.

Die Fraktion der SPD und der Linken wird dem Verwaltungsvorschlag zur Anmietung des Gebäudes in der Müllerstraße, zur Unterbringung von 40/42 Menschen zustimmen.

Die Bebauung, welche nach einer Anmietung und Nutzung als Unterkunft für Geflüchtete, vorgesehen ist, werden wir weiterhin kritisch begleiten.

Herzlichen Dank

 

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