"Aufkleber aus dem jahr 2009"
Start 1973 in der Ära Willy Brandt
1973, wir sind in der Willy Brandt Ära. Es geht um Reformen, den Aufbruch verkrusteter Strukturen. Die SPD erhält große Zustimmung, viele treten wegen Willy in die SPD ein. In Kluftern sind es vorwiegend Zugezogene, die zur SPD stoßen oder bereits vorher in der SPD waren.
Der progressive Geist und die rege Streitkultur sind dem Ortsverein über die vergangenen 40 Jahre nie verloren gegangen, insbesondere wenn es für die Anliegen der Bürger und gegen die Widerstände der vorhandenen Herrschaftsstrukturen ging.
Karikatur von Paul Schmolze zum 25. Jubiläum des Ortsvereins 1998
Erweiterte Öffnungszeiten im Kindergarten, Verkehrsberuhigung, Erhalt des Bahnhaltepunktes, Schonung der Umwelt und Naherholungsgebiete, Raumangebote für Vereine und Agenda21 Gruppen, Erhalt der Infrastruktur mit vielen Angeboten für den täglichen Bedarf (eigene Ortsverwaltung, Schule, Kindergarten, Lebensmitteleinkauf, Apotheke, Banken, Ärzte, Direktvermarktung aus der Landwirtschaft, ...), also eine tragfähige, wie man heute sagt, nachhaltige Entwicklung standen und stehen ganz oben auf der Tagesordnung der lokalen Politik. Dabei bleibt auch die Bundes- und Europapolitik nicht außen vor.
Die Klufterner Sozialdemokraten definieren sich als grüne Rote.
Mitteilungsblatt Kluftern 1973
Am 1. Februar 1973 wird mit Unterstützung von Paten aus Friedrichshafen der SPD-Ortsverein Kluftern auf einer Versammlung im Gasthof Gehrenbergblick am Bahnhof Kluftern gegründet.
In Kluftern gibt es zu dieser Zeit zwölf SPD-Mitglieder, aber noch keinen eigenständigen Ortsverein. Von den zwölf Mitgliedern sind bei der Gründungsversammlung sechs anwesend, nämlich Paul Faden, Günter Schlösser, Otto Schmidt (sen.), Otto Schmidt (jun.), Wolfgang Tröder und Heinz Wunderwald.
Zu den Paten der Ortsvereinsgründung gehören Max Martin (SPD-Kreisvorsitzender, ab 1974 in Tuttlingen, 1990- 2006 Baubürgermeister von Tuttlingen, *1946, +2007 in Hattingen), Oscar Pauli (Vorsitzender der SPD-Friedrichshafen und Landtagsabgeordneter) sowie der Friedrichshafener Stadtrat Gernot Schober. Wolfgang Tröder wird zum 1. Vorsitzenden und Paul Faden zu seinem Stellvertreter gewählt. Der stellvertretende Vorsitzende übernimmt zudem das Amt des Kassierers.
Wolfgang Tröder, der erste Ortsvereinvorsitzende nach der Gründung 1973
In der März-Sitzung werden Hermann Dietmeier (Schriftführer) und in der April-Sitzung Reinder van Bruggen (u.a. zuständig für die Ortsvereinsnachrichten) in den Vorstand gewählt. Beide damals noch frische Partei-Mitglieder.
Die 70er Jahre sind geprägt von einem starken Wachstum der Klufterner Einwohnerzahl. Der SPD-Ortsverein wächst von 7 Mitgliedern auf über 30 in den 80er Jahren und hat heute 17 Mitglieder.
In den vergangenen 40 Jahren hat Gretel Schwaderer mit insgesamt 13 Jahren als Vorsitzende den Ortsverein stark geprägt. Die SPD Kluftern stellt seit 1975 stets einen von zwei Stadträten im Friedrichshafener Gemeinderat, Ausnahme die Wahlperiode 1980/84.
Mit Wolfgang Sigg kommt von 1984 bis 2000 der Erste Bürgermeister in Friedrichshafen aus dem Ortsverein Kluftern, den er von 1975 bis 1984 geleitet hat.
Flächennutzungsplan Kluftern 1971 mit Autobahn, 4-spuriger Umgehungsstraße und Klufterner Kreuz
Die Genossen -Genossinnen fehlen noch im Ortsverein- haben 1973 folgende wichtigen Ziele vor Augen:
Letzteres ist symptomatisch für eine einseitige Verkehrspolitik: Eine Autobahn und eine 4-spurige Bundesstraße bauen wollen, aber keine Gehwege in den Ortsdurchfahrten haben.
Die SPD bleibt bei diesem Thema realistisch, beim Sinnvollen und Machbaren: Der Häfler Landtagsabgeordnete Oscar Pauli sieht 1973 (SPD-Infoblatt Stichling) keinen Sinn in dem Bau von gleich zwei Straßenbändern, Autobahn und Bundesstraße B31, jeweils 4-spurig und teilweise mit einem Abstand von nur 1000 m.
„Beim Plakatieren wurde uns Prügel angedroht“, erinnern sich Hermann Dietmeier und Heinz Wunderwald an die siebziger Jahre. Wolfgang Sigg traute sich nur nachts und in den frühen Morgenstunden die Info-Blätter der SPD auszuteilen. 1975 tritt die SPD in Kluftern erstmals zur Kommunalwahl an, dasselbe gilt auch für die CDU.
Klufterner Schwimmbad in der Brunnisach bis in die 1950er Jahre
Der See beginnt sich nach dem Bau von Kläranlagen zu erholen. Das im Eingemeindungsvertrag versprochene Hallenbad sollte besser ein Bürgerhaus werden, schreibt Wolfgang Sigg 1979 im Info-Blatt des Ortsvereins. 7 Jahre später wird die Einweihung des Hauses gefeiert.
Durch eine aktive Ortspolitik mit eigenen Anträgen im Ortschaftsrat bringen die Klufterner Sozialdemokraten die bis 2004 mit einer satten Mehrheit ausgestattete Koalition von CDU und FWV in die Rolle der ewigen Nein-Sager. So fordert die SPD u.a.
Die Forderungen der SPD werden meist von CDU und FWV im ersten Anlauf abgelehnt, setzen sich aber alle durch, wenn auch mit teils mehrjähriger Verspätung.
Forderungen nach einer Energiewende stehen schon in den 1980 Jahren auf der Tagesordnung
Auch im Bereich Sport und Kultur sind die Klufterner Sozialdemokraten nah am Bürger. Das zeigt sich u.a. bei der Diskussion um die Mehrzweckhalle:
Seit 2012 ist der Neubau einer Mehrzweckhalle beginnend im Jahre 2014 beschlosseene Sache. Ausdauer bewährt sich auch in der Kommunalpolitik.
Die Menschen sollen die Entwicklung der Gemeinde mitbestimmen und mittragen. Themen im Ortschaftsrat sollen öffentlich behandelt werden.
Demo für einen Radweg von Kluftern nach Immenstaad (rechts neben der Landstraße)
Die Klufterner Sozialdemokraten wollen mitgestalten, eigene Ideen einbringen, wollen Bürgerbeteiligung, eine engagierte Bürgergesellschaft und nicht nur die Vorlagen der Verwaltung abnicken.
Sie bringen neue Ideen in Umlauf, fordern den Ortsvorsteher auf , Auftakt-Veranstaltungen zu unterstützen u.a. für Seniorentreffs, die Fortschreibung der Heimatgeschichte oder die Agenda21-Arbeit.
Sie bringen mit Bürgerbefragungen und Informationsveranstaltungen wichtige Themen in die Öffentlichkeit, und es entwickeln sich in vielen Fällen daraus Arbeitsgruppen, die diese Themen über viele Jahre hinweg ehrenamtlich weiter tragen. Die so entstandenen Arbeits- und Agenda-Gruppen haben nichts mehr direkt mit der SPD zu tun, so ist es auch gewollt. Eine Agenda-Gruppe widmet sich der Kunst, ein Geschichtsverein wird gegründet, der Klufterner Kunst- und Geschichtsrundweg entsteht. Eine Agenda-Gruppe greift die Energieversorgung auf und gründet die BürgerSolarDach GbR, eine andere widmet sich der Geselligkeit mit Wanderungen, Spiele- und Singnachmittagen, eine weitere kümmert sich um Blumenwiesen, Naturschutz und Ortsentwicklung. 2001 gibt die SPD den Anschub für eine Bürgerinitiative, die für Alternativen im und zum Straßenbau kämpft.
Vielfältiges Engagement für Alternativen zum Straßenbau
Mittlerweile gibt es in der Ortschaft viele neue Verknüpfungspunkte zwischen den Menschen, neue Kommunikations-Netzwerke, persönliche soziale Netzwerke, und die Sozialdemokraten sind in diesen Netzwerken gut integriert.
Die Klufterner Sozialdemokraten sehen sich bis heute als grüne Rote. Sie engagieren sich für eine nachhaltige Energiepolitik und den Ausstieg aus der Atomenergie, fordern einen Ausbau der Bahn-Infrastruktur statt eines Rückbaus, wie auf der Bodensee-Gürtelbahn und der Südbahn in den 1980er Jahren geschehen oder heute mit den überteuerten Plänen von S21 geplant. Über viele Jahre hinweg machte sich diese politische Ausrichtung bei den Kommunalwahlen positiv bemerkbar. Die SPD schafft es, bis auf 34,6 % der Stimmen zu kommen. Damit reichte es aber nie zu einer Mehrheit gegen die „Koalition“ von CDU und FWV. Mittlerweile haben die beiden SPD-Ortschaftsräte aber eine Verbündete in der Bürgerliste ProKluftern BLPK, die vier Ortschaftsräte stellt, was zu einer Mehrheit im OR von sechs Stimmen führt. Die CDU hat nach 56,4 % im Jahr 1980 in der 2009er Wahl zum Ortschaftsrat nur noch 19,2% der Stimmen erhalten, die SPD liegt mit 20,3 % knapp vor ihr.
SPD Ortschaftsräte
1975 | Hermann Dietmeier | Wolfgang Sigg | Nachrücker f. H. Dietmeier ist Paul Faden | |||
1980 | Wolfgang Sigg | Gretel Schwaderer | ||||
1984 | Gretel Schwaderer | Peter Hartmann | Bernd Caesar | |||
1989 | Gretel Schwaderer | Bernd Caesar | Peter Hartmann | Andreas Hacker | ||
1994 | Gretel Schwaderer | Bernd Caesar | Angelika Hartmann | |||
1999 | Bernd Caesar | Heinz Wunderwald | Marlene Heger | |||
2004 | Bernd Caesar | Wolfgang Sigg | ||||
2009 | Bernd Caesar | Wolfgang Sigg | ||||
2014 | Bernd Caesar | Wolfgang Sigg |
SPD Gemeinderäte aus Kluftern |
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1975 | Hermann Dietmeier | Nachrücker für H. Dietmeier ist Wolfgang Sigg | ||
1980 | ||||
1984 | Gretel Schwaderer | Wolfgang Sigg wird Bürgermeister (1984 bis 2000) | ||
1989 | Gretel Schwaderer | |||
1994 | Gretel Schwaderer | |||
1999 | Heinz Wunderwald | |||
2004 | Wolfgang Sigg | |||
2009 | Wolfgang Sigg | |||
2014 | Wolfgang Sigg |
Gebet eines frisch gebackenen Gemeinderats im Revolutionsjahr 1848:
Oh, Weisheit, rüste mich mit Kraft,
dass meine Stimme Nutzen schafft
in Kirche, Schul und Staate;
und da mein Wissen wenig ist,
so gib, dass ich zu jeder Frist,
das Beste stets errate!
Feste, Kabarettabende, gemeinsame Familienausflüge in den Bregenzer Wald oder das jährliche Weihnachtskegeln sind Teil des gesellschaftlichen und politischen Engagements.
Feste, Kabarettabende, gemeinsame Aüsflüge oder Kegelrunden stärken die Gemeinschaft
1984 wird der SPD-Antrag angenommen, einen Ortsentwicklungsplan zu erstellen. Als dieser fertig ist, stellen die SPDler den Antrag, diesen Plan insbesondere für den Straßenraum in der Ortsmitte umzusetzen. Das wird abgelehnt, vorher müsse die Umgehungsstraße gebaut sein. 1991 gibt es erste Zeichen aus der Verwaltung, doch mit dem Umbau zu beginnen. Das ganze verläuft im Sande. 2008, das MTU-Materialwirtschaftszentrum soll im Süden von Kluftern gebaut werden. Der Ortschaftsrat schlägt einen Standort bei der Friedrichshafener Messe vor und lehnt mit den Stimmen der neuen Mehrheit von SPD und BLPK den Standort Kluftern ab. Die SPD beantragt die Einsetzung des Vermittlungsausschusses, wie er im Eingemeindungsvertrag von 1972 für solche Fälle vorgesehen ist. Ein einmaliger Fall in Friedrichshafen. Der Vermittlungsausschuss kommt zu dem Ergebnis, das MTU-Werk wird gebaut und Klufterns Ortsmitte wird neu gestaltet. Dazu wird eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Verwaltung, Gewerbetreibenden, Ortschaftsräten, Agenda-Gruppen, Vereinen, Kirche, Schule und Kindergarten die Pläne erarbeiten. Der erste Bauabschnitt dieses Ortsmitteplanes ist mittlerweile umgesetzt. Die Klufterner Geschäfte profitieren von der besseren Erreichbarkeit, die Fußgänger und Radfahrer von der höheren Sicherheit, die Anwohner vom reduzierten Lärm, die Autofahrer vom staufreien Verkehr.
Es gilt der Grundsatz: durch breite Bürgerbeteiligung zum Erfolg.
Die Ortsmitte links vor und rechts nach der Umgestaltung sowie mit Tempo 30
Die 40-jährige Geschichte des SPD-Ortsvereins Kluftern zeigt, standhaft und mit langem Atem an den sozialdemokratischen Grundwerten festzuhalten, in die Öffentlichkeit zu gehen auch wenn einem Prügel angedroht werden, Bürgern mehr Mitsprache und Verantwortung in Bürgerprojekten zu geben, lohnt sich, bringt den Erfolg und stärkt die Demokratie in der Gemeinde.
Klufterner Ortsvereinsvorsitzende von der Gründung 1973 bis März 2013
Auf den SPD-Kanditatenlisten für die Klufterner Ortschaftratswahlen waren meist auch Parteilose zu finden.
von links nach rechts: Andreas Hacker, Elke Rudolf, Hans-Werner Winkler, Anni Binder, Heinz Wunderwald, Ute Rebohle, Walter Zacke, Christine Winterhalter-Lutz, Gretel Schwaderer, Bernd Caesar, Anke Hartmann
Von links nach rechts: Ulrich Hoepstein, Bernd Caesar, Christine Winterhalter-Lutz, Andreas Hacker, Ute Rebohle-Ganzer, Elke Feuer, Willi Eggler, Hans-Werner Winkler, Elke Rudolf Marlene Heger